Das Magazin der S-Bahn Hamburg

Die Stellwerke der S-Bahn Hamburg

Damit die Züge reibungslos durch das Hamburger Streckennetz fahren, sind nicht nur die Triebfahrzeugführer und die Kollegen in der Betriebs- und Servicezentrale (BSZ) im vollen Einsatz. Einen wichtigen Part übernehmen auch die Fahrdienstleiter in den einzelnen Stellwerken, die auf ganz unterschiedliche Weise dafür verantwortlich sind, dass unsere Züge an ihr Ziel kommen.

Für einen störungsfreien Betrieb auf Hamburgs Schienen müssen viele Techniken ineinander greifen. Heute wollen wir euch die wichtige Funktion der Stellwerke in unserem Streckennetz vorstellen.

Stellwerke sind ortsfeste Bahnanlagen und Steuerzentralen für Weichen sowie Signale und machen somit den Weg auf den Gleisen „frei“. Insgesamt gibt es bei der Hamburger S-Bahn 17 Stellwerke – das älteste stammt aus dem Jahr 1921, das jüngste wurde 2008 in Betrieb genommen. Obwohl die Funktionen gleich sind, ist die Technik, die dahintersteckt, ziemlich unterschiedlich. Hier stellen wir unsere vier Stellwerktypen vor.

1. Stellwerk Sülldorf – mechanische Technik

Direkt neben den Schienen, aber dennoch ein wenig versteckt, befindet sich in Sülldorf das letzte mechanische Stellwerk der S-Bahn. Beim Betreten des kleinen Häuschens fühlt man sich in der Zeit zurückversetzt. Bereits seit dem 23. Juni 1927 werden hier Zugfahrten der eingleisigen Strecke zwischen Blankenese und Rissen durchgeführt. In diesem Stellwerk wird noch richtig angepackt.

Nur mit Muskelkraft betätigt, können die auf der Hebelbank montierten Stellhebel die Drahtzugleitungen, die mit mehreren Führungs- und Umlenkrollen zu den Außenanlagen verbunden sind, Weichen und Signale auf der Strecke steuern. Auch wird eine der letzten bei der S-Bahn Hamburg vorhandenen Vollschranken über den Sülldorfer Kirchenweg sowie eine kleine Fußgängerschranke im Zugang zum Bahnsteig händisch bedient. Zudem hat das Stellwerk noch eine andere, sehr wichtige Aufgabe: Es stellt auch die sogenannten Fahrstraßen. Dieser technisch gesicherte Fahrweg ist die Grundvoraussetzung für einen sicheren und reibungslosen Bahnverkehr. Dieser wird durch eine sogenannte Signalabhängigkeit gewährleistet. Eine Fahrstraße muss erst eingestellt, geprüft und gesichert werden, bevor im Stellwerk ein Fahrtsignal gegeben werden kann. In den älteren Stellwerken wird noch mit sogenannten Formsignalen gearbeitet. Diese mechanischen Signale, bei denen die Anweisung durch bewegliche Elemente – Signalflügel – dargestellt wird, gibt es seit etwa 1868 mit Einführung des ersten Stellwerks.

Warum dieses Stellwerk noch auf eine fast historische Art im Betrieb ist? Es ist die bis heute geeignetste Art, die eingleisige Strecke zu bedienen. Im Laufe der Modernisierung wird Sülldorf aber durch ein Stellwerk mit Fernsteuerung ersetzt.

2. Stellwerk Blankenese – elektromechanische Technik

Obwohl in Blankenese das älteste Stellwerk Hamburgs steht (1921 erbaut), gestaltet sich die Technik anders als in Sülldorf. Denn hier werden die Stellvorgänge elektrisch ausgeführt. In Blankenese – sowie weiteren Stellwerken Hamburgs – sind Weichen, Gleissperren und Formsignale mit einem elektrischen Antrieb versehen, dessen Motor vom Stellwerk aus über Erdkabel mit Stellstrom versorgt wird. Statt Hebel gibt es elektrische Drehschalter. Die Abhängigkeit von Fahrstraße und Signal ist aber auch hier gegeben:

Ohne eine freie Strecke lassen sich die Formsignale am Blankeneser Bahnhof nicht in Fahrt stellen. Auch werden die Züge telefonisch abgemeldet und ein Klingeln ertönt, bis Weichen ihre Endstellung erreicht haben. Täglich sind zwei Mitarbeiter im Dienst, um den eingleisigen Verkehr in Richtung Sülldorf und den zweigleisigen Verkehr in Richtung Stadt zu koordinieren.

3. Stellwerk Elbgaustraße – Drucktastenstellwerk

Während sich die Stellwerke in Sülldorf und Blankenese in direkter Nähe der Bahnsteige befinden, muss man ein paar Schritte laufen, um in das Stellwerk an der Elbgaustraße zu gelangen. Unverkennbar: Dieses Stellwerk aus dem Jahr 1983 funktioniert ganz anders – mit moderner Drucktastentechnik. Bei den Spurplanstellwerken werden per Zweitastenbedienung der Start- und Zielpunkt einer Strecke händisch eingestellt. Den Rest übernimmt die Technik. Sie überprüft selbstständig, ob die im Programm gespeicherte Fahrstraße frei ist und kontrolliert, welche Weichen in welche Position gebracht werden müssen.

Anders als auf den Strecken in Sülldorf und Blankenese werden hier keine Formsignale, sondern SV-Signale verwendet. Diese Signale haben neben dem aktuellen Signallicht noch eine Vorsignalisierung. In der Grundeinstellung gibt es bei einigen Stellwerken kein rotes Licht für „Halt“, sondern zwei gelbe Lichter, die bedeuten, dass der Triebfahrzeugführer langsam, auf Sicht, weiterfahren muss. Aufgrund der langen Strecke, die in der Elbgaustraße koordiniert wird (von Langenfelde bis nach Pinneberg) sind in diesem Stellwerk tagsüber drei, in den Tagesrandzeiten zwei, und nachts ein Mitarbeiter im Dienst.

4. Stellwerk Ohlsdorf – rein elektronisches Stellwerk

Seit 2008 wird in Ohlsdorf die Strecke von Poppenbüttel und Airport in Richtung Stadt und in die Gegenrichtung elektronisch überwacht. Dabei sieht es in dem Gebäude nahe dem Instandhaltungswerk wie in einem ganz normalen Büro aus: An zwei Schreibtischen sitzen zwei Fahrdienstleiter vor je sechs Monitoren und kontrollieren diesen großen Streckenabschnitt. Die Bedienung ist ähnlich wie bei der Spurplantechnik – nur, dass es statt des Zweitastenbetriebs eine Dreitastenbedienung per Maus gibt. Auf einem größeren Bildschirm wird die gesamte Bereichsübersicht angezeigt, die man sich mithilfe einer Lupenfunktion für bestimmte Bereiche genauer ansehen kann. In diesem Stellwerk werden die Fahrstraßen per Mausklick gesetzt.

Dabei kommen wiederum neue Lichtsignale zum Einsatz: Sogenannte Kombinationssignale, die eine Weiterentwicklung der oben genannten Signalverbindungen (SV) sind. Hier gibt es nur drei Anzeigen: Halt (rot), Fahrt (grün) und Halt erwarten (gelb). Über einen zusätzlichen Anzeiger können sich Lokführer weitere Infos über die Geschwindigkeit einholen. Während in Sülldorf noch jeder einzelne Schritt manuell beobachtet und eingestellt wird, übernimmt die Technik in Ohlsdorf nahezu die ganze Arbeit. Die Mitarbeiter überwachen diese und greifen nur aktiv bei Störungen ein.

Anmerkung der Redaktion: Seit Erscheinen des Artikels von April 2017 haben sich Rahmenbedingungen verändert, die in der aktualisierten Version berücksichtigt sind. (Stand 20.10.2021)

Fotos:

Lisa Knauer