Das Magazin der S-Bahn Hamburg

Frische Ansagen für unser neues Netz

Wie kommt die Fahrgast-Information in den Zug?

Zum Fahrplanwechsel am 10. Dezember ging unser neues S-Bahn-Netz an den Start. Im April haben wir den Countdown gestartet und Euch regelmäßig über neue Linien (den Übersichtsartikel findet Ihr hier) und über die Macher dahinter (Michael, Daniel) informiert. Jetzt haben wir uns gefragt: Wie kommt eigentlich die Fahrgast-Information in den Zug? Die Ansagen zu Haltestellen, die Durchsagen aus dem Führerstand und die Anzeigen auf den Displays? Wir sagen es Euch!

„Nächste Station: Holstenstraße. Ausstieg links.“ S-Bahnfahrer:innen kennen diese Ansagen. Manch junger Fahrgast wird sogar dabei beobachtet, wie er oder sie den genauen Wortlaut mitspricht. Aber was, wenn sich daran etwas ändert? Wie kommt die Info in den Zug?

Dafür verantwortlich sind unsere Fahrgastinformationsmanager:innen, kurz FIM. Das Dreier-Team betreut neben dem Fahrgastinformationssystem im Zug, dem sogenannten FIS, auch zahlreiche Kundeninformationskanäle und macht die Kommunikation bei plötzlich auftretenden Störungen (Ad Hoc-Störfallkommunikation).

Mit dem neuen S-Bahn-Netz kommen nicht nur neue Linien, sondern auch neue Linienführungen. Somit müssen die Ansagen im Zug und die Anzeigen auf den Displays im Fahrgastfernsehen und an den Außenseiten der Fahrzeuge angepasst werden. Damit alles reibungslos verläuft, werden diese im Vorfeld in Probefahrten getestet.

Probefahren für das neue Netz

„Wenn wir an den FIS-Datenversorgungen (Daten für das Fahrgastinformationssystem, Anm. d. Red.) etwas ändern, müssen wir das Ganze testen, bevor es auf die Fahrzeuge geht“, sagt Sascha. „Dafür erstellen wir Prüflisten und testen stichprobenartig, ob es Abweichungen gibt“. Er ist Fahrgastinformationsmanager und dafür verantwortlich, dass die Fahrgast-Info im Zug reibungslos läuft.

Mit an Bord der Probefahrt sind außerdem Karsten, ebenfalls FIM, und Sergej aus dem S-Bahn-Werk Ohlsdorf. Karsten betreut die Erstellung der Daten für die Baureihe (BR) 474, Sascha die der BR 490. Vor den Testfahrten tauschen sie die Dateien aus und checken die jeweils andere auf mögliche Fehler.

Sergej ist für das Bespielen der Züge zuständig und überwacht den technisch reibungslosen Ablauf der Fahrten. Auch der finale Test, ob die Datenversorgungen auf den Fahrzeugen mit dem richtigen Aktivierungszeitpunkt ankommen, liegt in seiner Verantwortung.

Die Software und die Audiodateien werden per Datenstick in den Bordcomputer eingespielt. Die Züge fahren optisch als ganz normale S-Bahn durchs Netz, allerdings ohne Fahrgäste. Getestet werden muss jede Baureihe auf jeder Linie und das über alle möglichen Fahrstrecken.

So klingt die S5:

„Wir halten normal an den Stationen, geben die Türen frei - allerdings zur abgewandten Seite - und fahren dann regulär weiter,“ erläutert Sascha. „Während der Fahrt werden alle Neuerungen getestet, also Ansagen innen und außen, aber auch die Texte in den LED-Anzeigen, im Fahrgast-TV und der korrekte Sitz von Linien-Icons.

Die Baureihe 474 und unsere neue, die BR 490, haben unterschiedliche Software. Ansagen und Anzeigen in der BR 474 werden durch Zahlenkombinationen gesteuert, in der BR 490 durch aktuell 286 verschiedene zusammengebaute „Phrasen“. Die Triebfahrzeugführer (Tf) haben zudem die Möglichkeit Sonderziele auszuwählen, darunter jede reguläre Station, aber auch Sondertexte.

Ganz schön viele Zahlen

Datenquelle beim 474 ist eine riesige Excel-Tabelle, in der alles hinterlegt ist. Die Zusammenstellung erfolgt nach dem Baukasten-Prinzip: Text mit dazu passender Linienfarbe und den passenden Icons und Symbolen. Diese und die Audio-Dateien werden vorab in die Züge aufgespielt und von der Bord-Software zusammengesetzt.

Die Software im Zug arbeitet GPS-basiert, das heißt, sie zieht sich die Abstände zwischen zwei Stationen aus den im Zug hinterlegten GPS-Daten. Darüber steuert das Fahrzeug, wann die nächste Ansage kommt.

„An der Erarbeitung der FIS-Datenversorgungen für das neue Netz sitzen wir seit März 2023“, sagen Karsten und Sascha. Für die Planung der Probefahrten benötigen sie ungefähr sechs Wochen.

Die Stimme

Während der Fahrt prüfen sie, ob sich alles gut anhört, keine unnötigen Pausen vorhanden sind und die Displays stimmen. Der Tf darf ebenfalls gerne seine Meinung abgeben. Besonders bei den zusammengestellten Ansagen müssen sie darauf achten, dass die Stimme die richtige Tonlage hat.

„Anders als zahlreiche Privatbahnen gibt es bei uns keine regionalen Stimmen, da die Ansage-Stimmen der Bahn weitestgehend identisch sind“, sagt Sascha. Das hat den Vorteil, dass man Ansagen regionenunabhängig einsetzen kann.

Die Audios gibt es in Deutsch und Englisch, wobei die englischen Ansagen im City-Bereich und Richtung Flughafen eingespielt werden, also da, wo in der Regel mehr Touristen unterwegs sind. Dort haben die FIM auch deutlich mehr Stationen mit aufgenommen und ihr englisches Angebot erweitert.

Beispiel einer englischen Ansage:

Die Ansagen werden bei einer zentralen Stelle in Frankfurt bestellt. Die Stimme ist dabei immer dieselbe, die Synchronsprecher:innen sind keine eigenen Mitarbeitenden der Deutschen Bahn AG, vertonen aber so ziemlich alle Ansagen, die in den Regional- und S-Bahnen der DB zu hören sind. Dies hat den Vorteil, dass auch einzelne Satzbausteine zusammengesetzt werden können. Dabei sollte man beachten, dass Wörter am Satzende anders betont werden als am Satzanfang – sonst klingt es unnatürlich.

Die Testfahrten

Bei den Probefahrten werden auch die Ansagen draußen auf den Bahnsteigen getestet. Da, wo der Zug einfährt und die Ansage dazu kommt, trifft er auf verwirrte Gesichter der wartenden Fahrgäste. Deshalb steht an den Bahnsteigen „Bitte nicht einsteigen“ und alle, die mitfahren, haben ihre orange-farbigen Warnwesten an, die sie als Bahn-Mitarbeiter ausweist.

Als FIS-Verantwortliche achten Sascha und Karsten zusammen mit den Prüfern darauf, dass die Ansagen zeitgerecht und vollständig kommen, die Icons in den Displays im Fahrgastraum und draußen auf den Bahnsteigen und die Außenansagen stimmen. „Also quasi, dass das alles so funktioniert, wie wir es gebaut haben“, grinst Sascha.

Das erfordert eine ganze Menge Konzentration und vor allem Sitzfleisch. Im Anschluss an einen Probefahrtentag wird die neue Datenversion wieder vom Fahrzeug deinstalliert und dieses kann wieder im regulären Linienbetrieb eingesetzt werden. Anschließend werden die Fehler der Fahrt ausgewertet und korrigiert. Für den nächsten Probefahrtentag geht es dann mit frischer Datenversion erneut an den Start.

Aktuell gibt es für das neue Netz 442 verschiedenste Audiodateien, von kompletten Sätzen wie „Übergang zu allen S- und U-Bahnlinien sowie zum Regional- und Fernverkehr“ bis hin zu einzelnen Wörtern wie „und“ oder „über“ in deutscher und englischer Sprache. Aus diesen haben Sascha und Karsten ganze Ansagenblöcke zusammengestellt.

Die Linien

Ihr als Fahrgäste habt im neuen Netz vier Linien, für die FIS-Verantwortlichen sind es jedoch 48. Sie haben alternative Linien angelegt, die für Fahrten außerhalb der regulären Strecken genutzt werden können. Dazu gehören unter anderem Regelbetriebe, Fußballverkehre, Sonderverkehre, Umleitungen und Werkezuführungsfahrten.

Der Tf kann dann wie bei einem Navi auswählen, welches Ziel er anfahren wird und als welche Linie. Ebenso kann er aus verschiedenen Ansagen außerhalb der regulären wählen, zum Beispiel „Vorsicht an der Bahnsteigkante“. Diese werden nur bei Bedarf eingespielt.

„Wir haben 46 verschiedene Liniensymbole für die Bug- und Seitenanzeigen außen am Fahrzeug, 81 verschiedene Symbole für die Fahrgastinformationsdisplays, von der großen Perlenschnur (= die farbige Linie mit den Haltepunkten, Anm. d. Red.) bis zum Symbol für die Fähren und die P&R-Parkplätze“, führt Sascha weiter aus.

Wer hat´s erfunden?

Über den Wortlaut entscheiden die FIM. Dabei orientieren sie sich an bestehenden Ansagen und den Änderungen im Netz und stimmen sich mit den Wortlauten anderer Verkehrsunternehmen ab. Aber auch Kundeneingaben und Hinweise von Kolleg:innen werden ausgewertet und, wenn sie sich häufen, ins neue System übernommen. Im neuen S-Bahn-Netz sind beispielsweise die Anschlussansagen in Altona vollkommen neu konzipiert worden.

Im Nachgang werden die Prüflisten aufbereitet und die Abweichungen korrigiert. Dies passiert wieder in den riesigen Tabellen mit etwa 450 bis 500 einzelnen Seiten. Immer zwei Seiten bilden eine fahrbare Route, sprich Start- und Endbahnhof. Insgesamt gibt es 201 Routen, die theoretisch befahren werden können. Nur ein Fehler, etwa ein fehlendes Icon, würde sich durch die ganze Tabelle ziehen.

Das Ganze wird so lange wiederholt, bis alles stimmt. Pünktlich zum Start des neuen S-Bahn-Netzes muss alles passen. Das haben sie geschafft.

Euch gute Fahrt in unserem neuen Netz!